Trinkgeld oder die Touristin als RUNNING ATM

Trinkgeld ist ein Thema, das immer wieder Fragen aufwirft. Wieviel gibt man? Wieviel ist übertrieben? Wie überreicht man es? In Ländern mit großer Armut, wird die Fragestellung noch kniffeliger. Viele meiner Gäste denken: „Sollte ich nicht etwas mehr geben, um die Armut zu lindern? Schließlich gönne ich mir doch selbst einen schönen Urlaub und es tut mir finanziell nicht weh!“

Was einem selbst finanziell nicht weh tut, kann in einem armen Land das Gehaltsgefüge durcheinanderbringen, zu Eifersüchteleien untereinander und negativen Verhaltensänderungen führen. Wenn Gäste einzelnen Mitarbeitern Trinkgelder geben, die halben oder sogar ganzen Monatslöhnen entsprechen, lindert das nicht die Armut im Land, sondern sorgt für Unzufriedenheit mit ortsüblichen Löhnen, treibt die Preise in die Höhe und begünstigt einige wenige Menschen.

Natürlich gibt es im Gastgewerbe Angestellte, die besonders freundlich und tüchtig sind. Manche Mitarbeiter haben aber auch gelernt, wie man den Muzungu (Europäer) zum „Runnig ATM“ macht. Traurige Geschichten über kranke Verwandte oder sonstige unverschuldete Notlagen öffnen zum Beispiel schnell die Herzen und die Geldbörsen… Wer auf diese Art sein Einkommen steigert, vermittelt Kollegen, Freunden und den eigenen Kindern leider nicht das Bild, dass man durch Fleiß etwas erreichen kann, sondern dass geschickte „Trickserei“ sich auszahlt. Die Folgen kann sich jeder leicht ausmalen…

Um ein Gespür für angemessene Trinkgelder zu bekommen, hier ein paar Zahlen zu ortsüblichen Einkommen, die für eine realistische Einschätzung hilfreich sind:

  • Eine Security Kraft, die an 7 Tagen in der Woche je 12 Stunden einen Laden bewacht, bekommt ca. 150.000 Uganda Shilling (UGX) im Monat, was aktuell ca. 37€ entspricht.
  • Eine Hausangestellte in einem Privathaushalt verdient rund 80.000 UGX im Monat (ca. 20€).
  • Hotelangestellte gehören mit ca. 250.000 UGX (ca. 62€) zu den Besserverdienern.

Legt man europäische Maßstäbe an, würde man einem Zimmermädchen bei einem 2-wöchigen Hotelaufenthalt ca. 25-30€ Trinkgeld geben. In Uganda entspricht das fast der Hälfte ihres Monatslohns! Diese Gegenüberstellung macht das Missverhältnis deutlich. Ein wirklich sehr gutes Trinkgeld liegt für eine solche Leistung liegt bei max. 30.000 UGX (ca. 7-8 Euro). Um Eifersüchteleien zu vermeiden, gibt man am besten allen relevanten Mitarbeitern ein Trinkgeld in gleicher Höhe und zwar persönlich in einem verschlossenen Umschlag. Von zentralen Tip-Boxen rate ich eher ab, denn nach meiner Erfahrung kommen die Trinkgelder nicht unbedingt bei den Mitarbeitern an, deren Leistungen man honorieren möchte.

Auch beim Kauf von Produkten und Services muss man sich als Reisender nicht zum „Running ATM“ machen. Natürlich ist es verständlich, dass viele Ugander versuchen, sich durch Touristen einen Bonus zu verschaffen. Aber auch hier sollte das lokale Preisgefüge nicht völlig kippen. Zahlt ein Ugander z.B. für eine Fahrt mit dem Boda (Mopedtaxi) 3.000 UGX, kann man davon ausgehen, dass von einem Touristen mindestens der vierfache Preis verlangt wird. Selbst wenn man den zunächst verlangten Preis um mindestens 50% herunter handelt, hat man dem Boda Fahrer oder anderen Dienstleistern einen guten Bonus beschwert! Man muss sich daher nicht schämen, dass man mit einem vergleichsweise armen Menschen um einen Betrag gefeilscht hat, der uns Europäern lächerlich niedrig erscheint.

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